Kreislaufwirtschaft im E-Commerce: der Erfolg von Second-Hand-Produkten

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Das Umweltbewusstsein von Marken wird für Verbraucher immer wichtiger beim Kauf von Produkten. Nachhaltigkeit ist bereits seit einigen Jahren ein bedeutendes Thema im Einzelhandel, aber mit der Coronakrise und dem starken Wachstum des E-Commerce werden überflüssige Verpackungen und die Umweltauswirkungen von Lieferungen im Jahr 2021 noch deutlicher zu Tage treten.

Der Lockdown hat eine auf Überzeugung basierende Massenkaufbewegung ausgelöst, die darin besteht, so viel wie möglich lokale Produkte zu kaufen und die Händler vor Ort zu unterstützen. Mehr denn je sind Verbraucher entschlossen, mit ihrem Geldbeutel ein Zeichen zu setzen – ein Trend, der sich voraussichtlich auch 2021 und darüber hinaus fortsetzen wird.

Einer der starken Trends in diesem Bereich ist der Second-Hand-Markt, der in der Vergangenheit von Akteuren wie Vinted (Kleiderkreisel) und eBay Kleinanzeigen repräsentiert wurde, sich aber nun auch auf traditionellere Marken und Händler ausweitet. Dies gilt umso mehr für die Modebranche, die seit langem vor allem wegen der “Fast Fashion” und ihrer Umweltauswirkungen in Verruf geraten ist.

Kennzahlen & neue Verbrauererwartungen

2020 war die Kreislaufwirtschaft einer der Haupttreiber für die geschäftliche Transformation, dank der veränderten Einstellung der Verbraucher, die den Einzelhandel zum Wandel zwingt.

1/ Warum eine Kreislaufwirtschaft?

Eine Kreislaufwirtschaft etabliert dynamische, endlose Systeme von Geschäftsprozessen, sei es durch eine Lieferkette oder durch verschiedene Kontaktpunkte mit Verbrauchern.

Verbraucher wollen eine Kreislaufwirtschaft nicht nur, weil es für Marken und Einzelhändler eine verantwortungsvolle und nachhaltige Möglichkeit ist, Business zu betreiben, sondern auch, weil es für sie ein sehr bequemes System ist.

Mit diesem Vorgang haben Verbraucher eine Möglichkeit, ein Produkt wieder in die Lieferkette einzubringen, entweder durch Recycling, Vermietung oder Wiederverkauf. Es bedeutet auch, dass Unternehmen, Best Practices in der Produktion und im Vertrieb anwenden, innovativ sind und sich voll und ganz auf globale Lösungen konzentrieren, anstatt auf abgeschottete Probleme.

In einer Welt, in der nur 9 Prozent der Wirtschaft kreislauffähig sind, wird das Potenzial, von den verbleibenden 91 Prozent, auf etwa 4,5 Billionen US-Dollar geschätzt. Das bedeutet, dass die Kreislaufwirtschaft die größte Welle der Unternehmenstransformation seit der industriellen Revolution wäre.

Technologie wird als Beschleuniger gesehen, der den Übergang zu einer globalen Kreislaufwirtschaft erleichtert, aber es ist nicht nötig, das Rad neu zu erfinden. Die derzeit verfügbaren Technologien sind mehr als in der Lage, die gewünschten Ergebnisse und noch mehr zu liefern. Nach Ansicht der weltweit führenden Unternehmen der Konsumgüterindustrie liegt das Problem eher in der Bewältigung des Wandels, woran im nächsten Jahrzehnt gearbeitet werden muss.

2/ Die Modebranche ist besonders betroffen

Eine neue Kraft formt die Modeindustrie um: Second-Hand-Kleidung. Laut einem aktuellen Bericht wird erwartet, dass sich der Wert des US-Marktes für gebrauchte Kleidung in den nächsten zehn Jahren beispielsweise mehr als verdreifachen wird – von 28 Mrd. US-Dollar im Jahr 2019 auf 80 Mrd. US-Dollar im Jahr 2029 – in einem US-Bekleidungsmarkt, der derzeit insegsamt 379 Mrd. US-Dollar ausmacht. Im Jahr 2019 wuchs Secondhand-Bekleidung 21-mal schneller als der traditionelle Einzelhandel.

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Second-Hand-Kleidung verändert die Vorherrschaft der “Fast Fashion” radikal. Diese Mode wuchs in den vergangenen zwei Jahrzehnten exponentiell und veränderte die Modelandschaft dramatisch, indem sie mehr Kleidung produzierte, sie schneller vertrieb und die Verbraucher dazu animierte, im Übermaß zu niedrigen Preisen zu kaufen.

Während für Fast Fashion in den nächsten zehn Jahren ein weiteres Wachstum von 20 % erwartet wird, soll Second-Hand-Mode um 185 % wachsen.

Die Wahrnehmung von Secondhand-Kleidung hat sich verändert, da viele Verbraucher Secondhand-Kleidung heute als gleichwertig oder sogar hochwertiger als ungetragene Kleidung ansehen

Dank der wachsenden Verbrauchernachfrage und neuer digitaler Plattformen wie Tradesy und Poshmark, die den Austausch von Kleidung zwischen Privatpersonen erleichtern, entwickelt sich der Online-Secondhandmarkt zum nächsten großen Trend in der Modebranche.

Auch der Markt für gebrauchte Luxusgüter gewinnt zunehmend an Bedeutung. Händler wie The RealReal oder Vestiaire Collective bieten einen digitalen Marktplatz für authentifizierte Luxusgüter, auf dem man Designermarken wie Louis Vuitton, Chanel und Hermès kaufen und verkaufen kann. Der Wert dieses Sektors erreichte im Jahr 2019 2 Milliarden Dollar.

Von Einzelhändlern wird erwartet, dass sie weiter nach Möglichkeiten suchen, die Kontrolle über alle Phasen des Second-Hand-Marktes zu übernehmen, genau so wie viele Einzelhändler die Kontrolle über die Prozesse ihrer Handelspartner ausüben. Durch die Kontrolle des Zustands, des Preises und der Vertriebskanäle, über die gebrauchte Bestände verkauft werden, können Einzelhändler die Kontrolle über das Markenerlebnis behalten.

Ben Whitaker

Founder of Cirqulr

Die Entstehung vieler, neuer Initiativen

Im Bewusstsein der notwendigen Veränderungen und der immer drängenderen Nachfrage der Verbraucher steigen viele Marktplätze oder Marken in die Kreislaufwirtschaft und die Welt der Gebrauchtwaren ein.

  • Der französische Top-Marktplatz La Redoute beispielsweise hat mit La Reboucle extra einen Second-Hand-Bereich geschaffen

Die Kunden von La Redoute können ab sofort über die Website auf einen neuen Bereich zugreifen, der Secondhand-Produkten gewidmet ist und den Namen “La Reboucle” trägt. Mit diesem neuen CtoC-Service möchte La Redoute seinen Kunden innovative und maßgeschneiderte Lösungen anbieten, die einen CSR-Ansatz mit verbesserter Kaufkraft verbinden.

Mit La Reboucle bietet die Marke einen neuen, einfachen und effektiven Service für den An- und Verkauf von Secondhand-Produkten (Mode und Dekoration/Haushalt), von La Redoute oder anderen Marken, unabhängig davon, ob sie auf der Website laredoute.fr gekauft wurden oder nicht. Für jeden Verkauf können die Kunden dann wählen, ob sie bezahlt werden oder eine E-Card mit 25 % Rabatt erhalten möchten.

Disruptual, der führende Anbieter von SaaS-Plattformen für gebrauchte CtoC-Produkte, bietet Marken und Einzelhändlern die Möglichkeit, die Kontrolle über den Second-Hand-Markt zurückzugewinnen. Mit rund fünfzehn Online-Plattformen für große Marken (La Redoute, Promod, Cyrillus, Jacadi, etc.) hat der Gründer Olivier Clair eine starke Beschleunigung der Nachfrage festgestellt:

Der Second-Hand-Markt hat die Fähigkeit, alle CSR- und Business-Ziele zu erreichen. Dies ermöglicht Marken, die Kontaktzeit mit ihren Kunden zu verlängern (Verkauf von neuen & gebrauchten Produkten), Loyalität aufzubauen und Traffic im Laden oder auf der Website zu erzeugen.

Olivier Clair

Gründer von Disruptual

Wenn ein Verkauf zwischen 2 Personen abgeschlossen wird, kann der Verkäufer seine Zahlungsmethode wählen: entweder Geld auf sein Bankkonto oder eine Geschenkkarte. 70 % der Verkäufer entscheiden sich für die Geschenkkarte und konsumieren sie im Netzwerk der Boutiquen der Marke, wobei sie im Durchschnitt das 2,5-fache des Wertes der Geschenkkarte ausgeben.

Ein gebrauchtes Produkt ist auch eine Gelegenheit, eine Marke zu entdecken, ein Produkt zu einem geringeren Preis zu testen und somit später ein Kunde für ein “neues Produkt” zu werden.

  • Die internationale spanische Marke TOUS schenkt Schmuckstücken ein zweites Leben

TOUS ist seit 1920 in der Schmuckbranche präsent. Die Brand hat die Kunst entwickelt, Schmuckstücken ein zweites Leben zu geben und zeichnet sich durch Reparationen, Wiederverwendung und Recycling aus. 40 % der Kollektionen der Marke werden in einer Werkstatt mit 90 multidisziplinären Handwerkern hergestellt, die sich auf Elektroforming und Mikroguss spezialisiert haben. Das Unternehmen hat eine rigorose Abfallwirtschaftspolitik eingeführt, die eine ordnungsgemäße Abfallentsorgung sowie das Recycling und die Rückgewinnung von Metallen und Rohstoffen ermöglicht. Sie verfügt über eine Kläranlage, die verunreinigte Abwässer so aufbereitet, dass sie keine Auswirkungen auf die Umwelt haben.

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  • Die japanische Sportbrand ASICS analysiert den Lebenszyklus seiner Produkte, um seine CO2-Emissionen zu reduzieren

Mittels Life Cycle Assessment (LCA) untersucht ASICS die ökologischen und sozialen Auswirkungen seiner Produkte in jeder Phase ihres Lebenszyklus, von der Materialbeschaffung bis zum Recycling oder der Entsorgung. Die Ergebnisse dieser Bewertungen werden dann verwendet, um ASICS’ Ansatz für Produktdesign und -entwicklung zu verbessern. So führte ASICS 2018 eine Ökobilanz für seine GEL-KAYANOTM 25 Laufschuhe durch und verglich die Ergebnisse mit einem Vorgängermodell. Die Analyse ergab, dass ASICS die CO2-Emissionen pro Paar um ca. 24 % reduziert hat.

  • Die Shopping-Plattform Veepee und die Marke Aigle geben Produkten mit Re-cycle ein zweites Leben

Mit Re-cycle bietet Veepee seinen Mitgliedern die Möglichkeit, sich an einem neuen Projekt zu beteiligen, dessen Hauptziel die Kreislauffähigkeit von Produkten ist. Diese Initiative wurde ins Leben gerufen, um die Herausforderungen der Partnermarken im Modesektor zu begleiten, deren Produkte von hoher Qualität sind und darauf ausgelegt sind, lange zu halten und weitergegeben zu werden.

Dank dieses ersten “Re-cycle”-Projekts können Mitglieder ihre Aigle-Kleidung und -Stiefel, die sie nicht mehr benötigen, an Veepee schicken. Für jede Lieferung eines Veepee-Produkts erhalten die Mitglieder einen Gutschein, der bei Aigle eingelöst werden kann, im Wert von 10 bis 30 Euro. Das Versenden des Produkts wird durch die Bereitstellung eines vorausbezahlten Rücksendeetiketts erleichtert, und die Liste der Paketstellen, bei denen das Paket abgegeben werden kann, wird den Mitgliedern ebenfalls mitgeteilt.

Veepee bietet damit allen seinen Partnermarken eine Lösung an, die es ihnen ermöglicht, die Herausforderungen des Lebenszyklus ihrer Produkte zu meistern.

Für jedes dieser “Re-Cycle”-Projekte sammelt Veepee alle zurückgegebenen Produkte und sortiert sie. Die am meisten abgenutzten Teile werden von spezialisierten Partnern recycelt, der Rest wird repariert. Nach diesem Schritt werden verschiedene Optionen in Betracht gezogen, um diesen reparierten Produkten ein zweites Leben zu schenken.

Erwarten Sie, dass große Marktplätze wie Amazon und eBay um ihren Anteil am Second-Hand-Markt kämpfen. Sie werden in der Lage sein, verfügbares Kapital, bewährte Technologien, bestehende Beziehungen zu langjährigen Käuferstämmen und Logistikkanäle zu nutzen, um Einzelhändlern einen stetigen Umsatzstrom und Käufern eine konsistente Erfahrung zu bieten.

Ben Whitaker

Founder of Cirqulr

Es gibt viele andere Beispiele für Kreislaufwirtschaften und Unternehmen, die mit dem Ziel arbeiten, einem echten Zweck zu dienen, aber die Geschichte, die die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zieht, ist oft von anderer Natur: Entweder wird über Lösungen spekuliert, die nicht in größerem Umfang umgesetzt werden können, oder es wird sich nur auf das Problem konzentriert, was die Menschen in Panik oder eine Krise versetzt.

Wichtig ist jedoch, dass Unternehmen und Verbraucher bereit sind, sich zu verändern, und dass viele Maßnahmen bereits ergriffen werden. Es sind die Unternehmen, die in den nächsten Jahrzehnten eine Stimme haben und nachhaltiger wirtschaften werden. Die richtigen Entscheidungen zu treffen, zahlt sich fast immer aus – für Privatpersonen und Unternehmen gleichermaßen!

 

Hören Sie sich die Gesprächsrunde “Circular e-commerce: embracing a new model to stay relevant” beim letzten Lengow Day an und machen Sie sich selbst ein Bild der Expertenmeinungen:

Photos von Debby Urken & Luis Montejo, auf Unsplash.com

Adrian Gmelch

Adrian Gmelch ist Tech- und E-Commerce-begeistert. Er betreute zunächst große Tech-Unternehmen bei einer internationalen PR-Agentur in Paris, bevor er für die internationale Öffentlichkeitsarbeit bei Lengow tätig wurde.

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